Bringen Briefmarken Geld?
Briefmarken sind für Fundraiser eigentlich kein Quell der Freude. Stichwort Portoerhöhung. Aber als Wohlfahrtsbriefmarke oder auch als Sachspende sind sie auf der Einnahmenseite höchst willkommen. Doch bringt das wirklich was?
Dass Briefmarken für Sammler eine Wert haben, wurde schon sehr früh erkannt. Die erste Briefmarke kam 1840 in England auf den Markt, und die Philatelie nahm damit ihren Anfang. Wahrscheinlich schon vor 1888 gab es nach einer Idee von Friedrich von Bodelschwingh eine Briefmarkenstelle beim Hilfswerk Bethel. Im Jahr 2013 feierte man offiziell und mit einer Sondermarke der deutschen Post ihr 125-jähriges Bestehen. Doch hat die Briefmarkenstelle in Zeiten von E-Mail und WhatsApp noch eine Zukunft? Recherchiert man nach dem Thema sieht man, dass vor allem Organisationen, die eigene Werkstätten für Menschen mit Behinderung betreiben, Briefmarken sammeln, waschen, also vom Brief lösen, und sortieren und dann wieder verkaufen oder an Handelspartner abgeben.
Kein Bombengeschäft
Für Volker Hinz, Fundraiser bei Bethel, ist die Briefmarke zwar eine Sachspende aber kein Fundraisinginstrument. „Unsere Briefmarkenstelle beschäftigt heute 125 Personen und das ist unabhängig vom Fundraising sehr gut.“ Auch Terre des hommes hat eine eigene Briefmarkenstelle. Dort kam ein Ehrenamtlicher mit einem Faible für Briefmarken auf die Idee, berichtet Doris Wächter, Fundraiserin bei der Hilfsorganisation. „Wertvolle Sammlungen bekommen wir eher selten. Aber der Erlös liegt trotzdem zwischen 2.000 und 4.000 Euro im Jahr.“ Ohne Ehrenamtliche könnte man das aber nicht leisten. „Sie müssen ja jede Marke in die Hand nehmen und vom Brief lösen. Das Engagement unserer Ehrenamtlichen wissen wir sehr zu schätzen, und der Erlös geht komplett in die Projektarbeit für Afrika ein“, so Wächter.
Die Dimension bei Bethel ist deutlich größer. Das Hilfswerk erhält im Jahr immerhin 29 Millionen Briefmarken und bereitet diese auf. Bei dem dafür anfallenden Aufwand und einem Preis von 0,8 bis 2 Cent pro Marke, denn man im Handel höchstens dafür bekommt, bleibt aber auch einfach zu wenig übrig. Aber zur Finanzierung von Arbeitsplätzen reicht es. „Außerdem ist es ein sehr schöner Erstkontakt zu den Spendern und erhöht auch die Bekanntheit von Bethel“, führt Volker Hinz als Vorteile an. Auf der professionellen Website des Hilfswerks sind auch Kontakte zu Firmen wie Rewe oder Kommunen auszumachen, die sich an Sammlungen beteiligen.
Profis schätzen Bethel
Die Briefmarkenhändler schätzen die Kollegen in den gemeinnützigen Vereinen. „Ich habe auch einen Sammelkarton von Bethel in meinem Geschäft und gebe regelmäßig Briefmarken, die ich nicht verkaufe, an Bethel weiter“, bestätigt Wolfgang Lang, Vizepräsident des APHV – Bundesverband des Deutschen Briefmarkenhandels. Die Zielgruppe im Handel sieht er bei den Kindern, denen der Opa einen Paket Kiloware Briefmarken für den Einstieg ins Hobby schenkt. Für Profis ist das wertmäßig eher uninteressant, führt aber dem Briefmarkenmarkt ein erhöhtes Volumen an Marken zu. Es gibt aber auch Ausnahmen, etwa wenn ganze Sammlungen bei Bethel landen. „Die Mitarbeiter dort haben ein gutes Auge“, bescheinigt Lang den Kolleginnen und Kollegen der Briefmarkenstelle in Bethel eine hohe Kompetenz. So konnte Bethel schon eine komplette Sammlung für 25.000 Euro verkaufen. Das ist aber eher die Ausnahme.
Wohlfahrtsmarken – ein Klassiker
Um richtige Einnahmen geht es dagegen bei den Wohlfahrtsmarken, die es seit 1949 in der Bundesrepublik und auch in etwas abgewandelter Form in der ehemaligen DDR gab. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, welche die Wohlfahrtsmarken mit vertreiben, geben auf ihrer Website an, seitdem 4 Milliarden Briefmarken mit einem zusätzlichen Spendenerlös von 650 Millionen Euro verkauft zu haben. Der Clou dabei ist, dass jeder Träger, der dem Verband angehört, Wohlfahrtsmarken zum Normalpreis ordern und verkaufen und den Zusatzerlös auf den Marken für seine regionale Organisation einsetzen kann. Eigentlich ein Argument, aber die Umsätze sinken seit Jahren. „2011 haben wir gemeinsam mit der Post mit der Loriot-Briefmarke noch gut 40 Millionen Stück verkauft. Heute sind es nur noch 23 bis 24 Millionen“, bestätigt Sigrid Forster, Leiterin der Abteilung Wohlfahrtsmarken. Da kann selbst der Bundespräsident als Schirmherr und auch ein Video bisher wenig ausrichten. Die Nachfrage schwindet.
Wille zum Verkauf schwindet
Es kommt schlicht und einfach auf das Verkaufstalent an. „Wir haben 100.000 Einrichtungen bei unseren Mitgliedsverbänden. Wenn die alle Briefmarken verkaufen würden, könnten wir die Post übernehmen“, meint Forster und lacht. Doch der Freistempler hält auch bei vielen Organisationen Einzug, dabei könnten diese die Wohlfahrtsmarken sogar ohne Zuschlag für ihr Porto nutzen und Werbung dafür machen. Forster bekommt auch zu hören, dass es billiger ist, eine Spendendose aufzustellen, als Briefmarken zu verkaufen. „Dabei ist die Marke zwar ein erklärungsbedürftiges, aber in der Idee sehr bestechendes Produkt“, bedauert sie und setzt sich für ein Umdenken ein.
Sonderbriefmarke mit Werbeeffekt
Auch die neuen Postanbieter haben das Thema für sich entdeckt und unterstützen gemeinnützige Organisationen vor Ort mit eigenen Sonderbriefmarken. Im Vordergrund steht dabei allerdings kein Zusatzerlös, sondern ein Werbeeffekt. So gab die Firma PostModern aus Anlass des 100-jährigen Bestehens des Caritasverbandes für Dresden e.V. eine Sonderbriefmarke in einer Auflage von 300.000 Stück heraus. „Der Caritasverband für Dresden steht mit seiner 100-jährigen Geschichte für eine Kirche, die sich mit Leidenschaft der christlichen Nächstenliebe verpflichtet. Das Motiv der helfenden Hände auf der Caritas-Briefmarke verdeutlicht, dass wir mit ganzem Herzen und Verstand den hilfsbedürftigen und benachteiligten Menschen zur Seite stehen. Diese Botschaft wird nun in alle Welt hinausgetragen“, freut sich Heike Riedel, Geschäftsführerin des Caritasverbandes über diese kostenlose Unterstützung für die Öffentlichkeitsarbeit.
(Dieser Text erschien ursprünglich auf ngo:dialog professionell.)
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