Hinweise aus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau
Die nachfolgenden ethischen Richtlinien und Konkretionen wurden von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau erarbeitet und im Juli 2019 veröffentlicht. Sie dienen als Orientierung für alle weiteren kirchlichen Institutionen, die sich ethische Regeln geben möchten oder in der Erarbeitung stecken.
Vorbemerkung
Spendensammeln hat in der Evangelischen Kirche eine lange und theologisch gut begründete Tradition – und ist aus dem Alltag vieler kirchlicher Einrichtungen nicht mehr wegzudenken. Dazu gehören auch Unternehmenskooperationen, die das Thema Sponsoring in den Fokus rücken.
Anwendungsbereich
Diese Richtlinie gilt für monetäre Gaben in Form von Spenden, Vermächtnissen, Erbschaften oder Sponsoring, die der EKHN, einer Einrichtung derselben oder an eine Kirchengemeinde oder deren Einrichtungen bzw. der Diakonie Hessen gegeben werden.
Begriffsklärung
Spenden sind freiwillige Leistungen, die ohne Gegenleistung erfolgen und bei denen das Motiv der Förderung einer juristischen Person (Kirche bzw. eine Einrichtung derselben) oder konkreter Maßnahmen im Vordergrund steht. Die Spendenden erhalten für ihre Spende an eine gemeinnützige Organisation eine Zuwendungsbescheinigung i. S. d. § 10 EStG und können ihre Spende steuerlich geltend machen. Spenden können aus besonderem Anlass, also einmaliger, aber auch re-gelmäßiger Natur sein. Erfolgen die Spenden ohne Zweckbestimmung, sind sie wie freie Kollekten zu behandeln (§ 12 KollO-930-), sofern es nicht möglich ist, nach Rücksprache einen geeigneten und konkreten Spenden- zweck zu benennen. Die Einnahme von Spenden ist für die Kirchengemeinde steuerfrei.
Sponsoring ist eine Zuwendung von Geld-, Sach- oder Dienstleistungen von einem Unternehmen oder Personen mit wirtschaftlichen Interessen beispielsweise an eine Kirchengemeinde. Der Sponsor erhält dafür eine Gegenleistung, mit der er seinen Bedarf an Profilierung in der Öffentlich- keit über das gesponserte Produkt befriedigen kann – zum Beispiel Image- gewinn oder auch eine kommunikative Nutzung. Sponsoring ist also ein „Geschäft“, das auf dem Prinzip Leistung und Gegenleistung beruht – Sponsoren erhalten darum keine Zuwendungsbestätigung, sondern eine Rechnung. Die Sponsoring-Leistung kann für die Kirchengemeinde eine steuerpflichtige Einnahme sein; hierbei sind insbesondere die Änderungen des Umsatzsteuerrechts ab 2021 zu beachten. Für das Unternehmen ist die Sponsoring-Leistung als Betriebsausgabe in voller Höhe steuerlich absetzbar.
Mehr über Sponsoring
Spende oder Sponsoring? Wo ist der Unterschied?
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zum Sponsoring-ArtikelKirchlicher Auftrag, Grundverständnis und theologische Einbettung
Kirchlicher Auftrag
Fundraising ist in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau kirchlicher Auftrag und umfasst sowohl das Einwerben von Spenden als auch Sponsoring-Leistungen.
Grundverständnis kirchlichen Fundraisings
In der Praxis geht kirchliches Fundraising weit über das reine „Geldeinsammeln“ hinaus: In der EKHN verstehen wir darunter aktive Beziehungsarbeit, bewussten Gemeindeaufbau und die nachhaltige Pflege von Beteiligungskultur, um auch dem ideellen Aspekt des Gebens einen Platz einzuräumen. Spender sind daher nicht nur Menschen, die uns mit Geld unterstützen, sondern uns auch ihre Zeit, ihr Engagement, ihre Ideen und Kontakte und vieles mehr spenden.
Bei Spendern sofort und ausschließlich Geldspender zu meinen, ist gerade im kirchlichen Kontext daher viel zu kurz gedacht – denn Fundraising soll nicht nur die Geldbörsen der Menschen öffnen, sondern sie vielmehr überzeugen und nachhaltig zu solidarischem Handeln durch persönlichen Einsatz (als Zeitspender) motivieren.
Fundraising im kirchlichen Sinne ist daher der Weg der Kommunikation zu und mit den Menschen, um sie einzuladen, Kirche mitzugestalten – ganz im Sinne von Mitgliederorientierung und Gemeindeaufbau.
Theologische Einbettung
Der nachfolgende Leitfaden versteht sich vor diesem Hintergrund als Handreichung für gutes Nehmen aus Sicht der Gaben- und Spendenempfänger, um damit selber gute Werke im Sinne des Artikels 20 des Augsburger Bekenntnisses zu tun und zu leisten – schließlich wird „durch den Glauben der Heilige Geist gegeben, darum wird auch das Herz befähigt, gute Werke zu tun.“
Der Glaube, in seiner inneren Hinwendung zu Gott, offenbart sich auf diese Weise nach außen im Engagement für Andere. Gleiches spricht auch aus dem achten und neunten Kapitel des zweiten Korintherbriefes, wo Paulus mit der sogenannten Kollekte des Paulus um Spenden für die Jerusalemer Gemeinde bittet. Indem Paulus für beides – für das göttli- che und das menschliche Geben und Nehmen – denselben Begriff der „χάρις / cháris“ gebraucht, verbindet er göttliche Gerechtigkeit und menschliches Tun in einer nahezu ununterscheidbaren Weise: Dieser facettenreiche Terminus deckt ein breites Bedeutungsspektrum ab und steht etwa für Gnade, Gunst, Wohlwollen, Fürsorge, Gnadenwerk oder Dank.
Die Kollekte erwächst damit nicht primär aus nobler Gesinnung, sondern aus der Wirksamkeit von Gottes Gnade. Die paulinischen Gemeinden sind letztlich nur Werkzeuge der göttli- chen Fürsorge und geben weiter, was auch sie empfangen haben.
Geldspenden und Sponsoring unter ethischen Aspekten
Private Zuwendungen für kirchliche oder diakonische Zwecke in Form von Geld- und Sachspenden bzw. Dienstleistungen sind erfreulicherweise weit verbreitet. Jedoch unterliegen sie bestimmten, vielfach ungeschriebenen Vorgaben – und das insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Integrität und Reputation der EKHN und ihrer Organe gewahrt bleiben muss. Private Zuwendungen nicht-ideeller Art, beispielsweise in Form von Geld oder Immobilien, sind zu sinnvollen zusätzlichen Finanzierungsquellen geworden, auf die nicht generell verzichtet werden kann.
Jedoch würde die Reputation der evangelischen Kirche insgesamt nachhaltig Schaden nehmen, wenn in der Öffentlichkeit auch nur der Anschein entstünde, dass die von der Kirche bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gebotene Neutralität und Objektivität durch Zuwendungsaktivitäten infrage gestellt würde. Daher ist es von größter Bedeutung, die Maßgaben christlicher Ethik auch bei Aussicht auf eine verlockende finanzielle Unterstützung Externer unbedingt einzuhalten. Auch eine zu enge Bindung an einzelne Zuwendende, deren persönliche Integrität zweifelhaft ist, würde die Wertigkeit der Institution Kirche infrage stellen.
Ausschluss von Unternehmen
Der Ausschluss eines Unternehmens, mit dem eine Einrichtung der EKHN nicht in Verbindung gebracht werden sollte, erfolgt nicht aus der prinzipiellen Ablehnung des gesamten Unternehmens. Vielmehr wird mit einem Ausschluss erkennbar, dass die EKHN aus ihrer ethisch-nachhaltigen Motivation heraus nicht am erzielten Gewinn des Unternehmens partizipieren möchte.
Börsennotierte Unternehmen sind in der Regel breit diversifiziert. Dies bedeutet, dass es innerhalb eines Unternehmens durchaus einzelne Geschäftsbereiche geben kann, die die EKHN aus bestimmten Gründen ablehnt. Solange dieser Geschäftsbereich einen Anteil von maximal zehn Prozent am Gesamt-Unternehmensumsatz hat, sollte von einem Ausschluss unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit abgesehen werden.
Stattdessen wäre in einem solchen Fall der direkte Unternehmensdia- log einem Ausschluss vorzuziehen. Folgende Geschäftsbereiche sind auszuschließen:
- Unternehmen, die an der Entwicklung oder Herstellung von Rüstungsgütern (im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes) beteiligt sind, sowie Unternehmen, die unabhängig von ihrem Umsatzanteil an der Entwicklung oder Herstellung von geächteten Waffen beteiligt sind
- Unternehmen, die Spirituosen und sogenannte Alkopops (alkoholhaltige Süßgetränke) herstellen
- Unternehmen, die Tabakwaren herstellen
- Unternehmen, die kontroverse Formen des Glücksspiels betreiben
- Unternehmen, die Produkte herstellen, die die Menschenwürde durch verunglimpfende und erniedrigende Darstellungen von Personen verletzen bzw. sich nicht erlaubter oder nicht zugelassener und/oder wissenschaftlich umstrittener molekularbiologischer Verfahren ( z.B. Crispr/Cas ) bedienen Unternehmen, die gentechnisch verändertes Saatgut herstellen
- Unternehmen, die Produkte herstellen, die unter Unterstützung oder Tolerierung menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit (im Sinne eines Ver- stoßes gegen die Kernarbeitsnormen der ILO) – auch in der Zuliefererkette – produziert werden bzw. die Geschäftspraktiken anwenden, die arbeitsrechtlich problematisch oder Einzelhandel gefährdend sind (z.B. Amazon Smile).
- Unternehmen, die nicht notwendige/nicht vorgeschriebene Tierversuche durchführen oder embryonale Stammzellenforschung betreiben Weitere Kriterien für eine Ablehnung finanzieller Unterstützung Abzulehnen sind im übrigen Spenden oder Sponsoring-Angebote von Organisati- onen oder Personen, die – trotz und entgegen ihrer vorgegebenen Ziele – ihre Spendenbereitschaft nur vorspiegeln und durch Spenden Ansehen und Sozialprestige zu erreichen suchen. Auf Spenden politischer Parteien und Organisationen ist zur Wahrung der Neutralität der Kirche und zum gottgefälligen Handeln generell zu verzichten. Lassen sich Zweifel nicht ausräumen, ist die Annahme von Spenden etc. unter Hinweis auf die entgegenstehende kirchliche Ethik des Empfangens abzulehnen.
Grundsätze zur Erzielung von ethisch einwandfreien Erträgen
Die EKHN beschafft die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge im Wesentlichen aus originären (Kirchensteuer-)Anteilen und lediglich ergänzend durch
- Kollekten, Spenden und mäzenatische Schenkungen Einnahmen aus Sponsoring vereinnahmt sie nur, wenn die von ihr ggf. verlangte Gegenleistung nicht kirchlichen Zwecken oder ethischen Grundsätzen widerspricht. Fundraising auf dieser soeben beschriebenen Grundlage setzt demzufolge ein Handeln voraus, das der Verantwortung vor Gott und den Menschen gerecht wird, d.h.
a) die in Rede stehenden pekuniären Zuwendungen beruhen auf nachvollziehbaren und ethisch verantwortbaren Erwerbsgründen,
b) sie rufen nicht den Anschein hervor, korruptionsaffin zu sein bzw. eine den kirchlichen Aufgaben zuwiderlaufende Beeinflussung zu bezwecken,
c) das Fundraising entspricht in seiner gesamten Natur ethischen und ethisch inspirierten christlichen Grundsätzen. Menschen vertrauen ihr Geld der Kirche an, um ausschließlich kirchliche Arbeit zu unterstützen und beispielsweise nicht die spekulative Geldanlage. Gelungenes Fundraising wird damit „selbst und unmittelbar Teil der kirchlichen Verkündungsarbeit und der Entwicklung der Gemeinde“ (zitiert nach: EKKW i.V.m. ELKB)
Annahme und Verwaltung von Spenden
Für die Annahme und Verwaltung der Spenden gilt die Kollektenverwaltungsordnung vom 1. November 2018 (KollVO 931) entsprechend.
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