Theologie der Gabe | fundraising-evangelisch.de

Das Leben als Gabe

Theologische Perspektiven des Gebens

Menschen haben das Leben nicht aus sich selbst. Sie verdanken das Leben nicht sich selbst, sondern haben es empfangen. Die Psalmen und die Weisheitsliteratur loben an vielen Stellen der Hebräischen Bibel diesen Aspekt des empfangenen Lebens. Gott gibt großzügig seine Gaben, das Leben, die Menschen, die Natur und die Tiere – und die Menschen erleben diese Schöpfungsgabe als unverdientes Geschenk, das von Gott kommt.

„Der Satz „niemand kann sich das Leben selbst geben“ findet seine theologische Korrespondenz in dem Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer des Lebens.“ (Trutz Rendorff, Ethik, Bd 1, S. 69). Viele theologische Ansätze gehen von diesem schöpfungstheologischen Aspekt aus, dass das Leben den Menschen gegeben ist; ebenso viele ethische Ansätze. Dabei wird der Gedanke in den Vordergrund gestellt, dass die Welt schon da ist, schon vorhanden ist – und der Mensch in diesem Kontext der Schöpfung immer schon situiert ist. Es gibt schon Familien, Gemeinschaften, Nationen, Ethnien, Werte und Normen, kurzum: Kontexte, in die wir hineingeboren werden, die also schon vor uns „da“ sind, die wir nicht geschaffen haben, die uns aber zunächst prägen. Dieses „Gegebensein des Lebens“ ist eine Gottesgabe, die wir als Gläubige annehmen, bevor wir damit beginnen, in diese geschaffene und schon vorhandene Welt einzugreifen und sie zu gestalten.

Biblische Tradition

Die biblische Tradition wirbt anhaltend um diese Auffassung, die gute Schöpfung Gottes zu loben und anzuerkennen. Psalm 104 ist ein einziger Lobgesang auf diese reiche Fülle, die die Menschen aus Gottes Hand empfangen. Psalm 36 lobt die Güte Gottes, die so weit reicht, wie der Himmel ist; und weist darauf hin, dass Menschenkinder unter dem Schatten seiner Flügel Zuflucht haben und die Menschen satt werden von den reichen Gütern seines Hauses. Auch das Vaterunser nimmt den Gedanken des Empfangens auf, wenn um das tägliche Brot gebeten wird.

Martin Luther

Prominent hat Martin Luther diesen Gedanken des geschenkten und empfangenen Lebens im Kleinen Katechismus in seiner Erklärung zum ersten Artikel des Glaubensbekenntnisses ausgeführt. Dort schreibt er: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen und Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker Vieh und alle Güter; mit allem, was not tut für Leib und Leben, mich reichlich versorgt, in allen Gefahren beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahret; und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit: für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin. Das ist gewisslich wahr.“ (Kleiner Katechismus, Der erste Artikel von der Schöpfung).

Luther bezieht in das empfangene Leben die gesamte Wirklichkeit ein: das eigene Leben, die Sozialität, die Voraussetzungen für den Erhalt des Lebens und auch die Kultur. Entsprechend ist die Antwort auf die großzügige Vorgabe Gottes eine Haltung der Dankbarkeit.

In den biblischen Schriften wird Gott deshalb gelobt als der Ursprung aller Gaben; und er tritt in Erscheinung als der, der die Essentialien guten menschlichen Lebens und ausreichender Versorgung gibt und gewährleistet. Dieser zuvorkommenden Anerkennung, wie sie sich in Gnade, Liebe und Erbarmen erweist, kann das Handeln der Menschen angemessen nur mit einer Ethik und einem Handeln der Großzügigkeit entsprechen.

Nach theologischem Verständnis kommt nicht zuerst die Moral und nicht erst die richtige Gesinnung, sondern das Zuvorkommen und die zuvorkommende Gabe Gottes, die rechtfertigt und anerkennt. Die Menschen können diesem Zuvorkommen Gottes mit ihrer eigenen Großzügigkeit entsprechen.

Theologische Perspektiven des Gebens

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Die Gerechtigkeit als Gabe

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Die Gnade als Gabe

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Historischer Ausblick

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Audiobeitrag Theologie der Gabe