Theologie der Gabe | fundraising-evangelisch.de

Historischer Ausblick der theologischen Perspektiven

Historischer Ausblick

Es ist bemerkenswert, dass wir gerade im Protestantismus und interessanterweise nach der Reformation ausführliche Stiftungsgründungen haben: Kirchen, in denen sich Stifterinnen und Stifter durch das Stiften von Orgeln, Bildern, Altären, liturgischen Gegenständen und Kirchenbänken engagierten, die Armenpflege in den Gemeinden unterstützten oder mit Stipendienstiftungen den theologischen Nachwuchs förderten. Entgegen der lange vertretenen Meinung, das Stiftungswesen sei mit der Reformation in die Krise geraten, sehen wir heute wieder deutlich, wie das freiwillige Geben, Schenken und Stiften nach der Reformation nicht abbrach, sondern nur anders gedeutet wurde. Dem evangelischen Geben, Schenken und Stiften ging es immer um Weltgestaltung.

Neuere historische Arbeiten belegen, dass das, was wir heute als „Dritten Sektor“ beschreiben, über Jahrhunderte vom freiwilligen, privaten Engagement der Bürgerinnen und Bürger getragen wurde. Und es ist interessant zu sehen, wie sich gerade im evangelischen Bereich ein ausführliches Mäzenatentum gerade auch nach der Reformation entwickelt hat.

Landgraf Philipp von Hessen ist in der Reformation mit seinen Landesherrlichen Stiftungen der vier Landeshospitäler vorangegangen und hat die Klöster in kostenlose Hospitäler umgewandelt, damit sie seinem neuen reformatorischen Konzept des „Gemeinen Nutzens“ zugute kommen konnten. Drei davon existieren noch heute. Aber nicht nur diese Form fürstlicher, evangelischer Armenfürsorge finden wir im Protestantismus. In den evangelischen Reichsstädten insgesamt finden wir eine ausgeprägte Mentalität, der Stadt Bestes zu suchen.

Konstitutiv war dabei die Beförderung der gesellschaftlichen Belange im Sinne eines neuen protestantischen Selbstverständnisses. So haben sich gerade nach der Reformation die Evangelischen für die städtische Armenfürsorge mit ihren privaten Mitteln eingesetzt, den Neubau von Kirchen finanziert, die dem neuen evangelischen Raumkonzept entsprachen, samt der Innenausstattung: Orgeln, Altäre, Kanzeln oder liturgischen Gegenständen. Auch die künstlerisch wertvollen, neuen evangelischen Bildprogramme an den Emporen - oder sonstige Kunst im Kirchenraum - standen im Interesse der Stifterinnen und Stifter.

Zudem wurde durch großzügige Gaben das gesamte Bildungssystem im evangelischen Berit strukturiert. Heute entdecken wir neu das umfassende Stipendienwesen in den evangelischen Reichsstädten Nürnberg oder Ulm, aber auch in den landesherrlichen Universitätsstädten wie Tübingen, Marburg oder Jena. Auch hier haben solvente Geber und Stifter, darunter übrigens auch viele Frauen, das Bildungssystem – vor allem die Ausbildung der Theologiestudenten - finanziert und gesichert. 

Für den evangelischen Bereich kann man also mindestens drei Bereiche benennen, in denen nach der Reformation das großzügige Geben, Spenden und Stiften eine Rolle spielt: Die Fortführung der mittelalterlichen Tradition der Pfründestiftungen zur Finanzierung der Pfarrstellen in den Gemeinden samt der Stiftungen für protestantischen Kirchenbau, zweitens die Armenfürsorge im Sinne des Gemeinen Nutzens - heute würden wir sagen: die diakonische Arbeit; und drittens die Anschubfinanzierungen, um ein innovatives Bildungssystem auf den Weg zu bringen.

Wir haben es also im protestantischen Geben und Stiften nach der Reformation sehr stark mit einem Gestaltungsmoment zu tun. Diejenigen, die gaben, wollten gestalten; Kirche und Gesellschaft gestalten. Damit bringt die Reformation eine entscheidende Wende im Blick auf die Motivation des mittelalterlichen Gabehandelns: Der mittelalterlichen Mensch stiftete, um „irdische Güter gegen himmlische einzutauschen“ (Berndt Hamm), also um für sein Seelenheil nach dem Tode zu sorgen, die Zeit im Fegefeuer zu verkürzen und seine guten Taten von Gott angerechnet zu bekommen. Den evangelischen Stifterinnen und Stiftern ging es um die Gestaltung der Gegenwart als Dank für die von Gott - ohne eigene Werke - erhaltene großzügige Gnade.

Es gab also schon die Pfründestiftungen zur Finanzierung von Pfarrstellen. Es gab früher schon fromme Protestantinnen, denen das Bildungswesen am Herz lag und die dafür spendeten. Und es gab schon konzertierte Aktionen von Fürst und Bürgern, das Krankenhauswesen wie in Hessen durch großzügiges Geben zu sichern. Von diesen Formen der Kreativität können wir viel lernen, und in dieser Tradition stehen wir, wenn wir Stiftungen errichten und Fundraising betreiben.

Theologische Perspektiven des Gebens

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Das Leben als Gabe

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Die Gerechtigkeit als Gabe

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Die Gnade als Gabe

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Audiobeitrag Theologie der Gabe